Wie Oetzi wirklich starb

Wie Ötzi wirklich starb – Der Eismann wurde aus dem Hinterhalt erschossen – Mörder aus dem eigenen Stamm?

NATIONAL GEOGRAPHIC DEUTSCHLAND rekonstruiert in der Titelgeschichte der Juli-Ausgabe (EVT 22.6.2007) das Leben und die letzten Stunden des Mannes aus der Kupferzeit, der als Gletschermumie „Ötzi“ weltberühmt ist. Im späten Frühling  eines Jahres zwischen 3350 und 3100 v. Chr. überquert der etwa 45 Jahre alte Mann einen 3210 Meter hohen Pass in den Tiroler Alpen.

Er hat eine Wunde an der rechten Hand, die wenige Tage alt ist. Vom Schnalstal hinauf geht er in die Berge, erst durch Laubwald, dann durch lichten Lärchen- und Fichtenwald. Anhand von Pollenfunden in Ötzis Verdauungstrakt konnten Wissenschaftler diese Route verfolgen. Als letzte Mahlzeit isst er Fleisch vom Rothirsch, dazu Einkornbrot. Sein Proviant wurde auf offenem Feuer zubereitet, dann zum Mitnehmen in Moos verpackt. Das zeigen Untersuchungen des Speisebreis. Nach einigen Stunden erreicht er den Übergang auf dem Tisenjoch und breitet in einer Felsmulde seine Grasmatte für eine kurze Rast aus. Es ist eine tödliche Falle: Seine Mörder, die ihm unauffällig gefolgt sind oder ihm hier aufgelauert haben, schießen aus dem Hinterhalt. Aus etwa 20 Metern Entfernung durchschlägt ein Pfeil Ötzis linke Schulter und verletzt eine lebenswichtige Arterie. Tödlich getroffen fällt Ötzi mit dem Gesicht nach vorn auf den Felsen. Der Schütze setzt nach und reißt den Pfeilschaft heraus, die Spitze aus Feuerstein bleibt stecken. Ötzi verblutet und stirbt innerhalb weniger Minuten an einem Kreislaufschock. Diese Todesursache konnte ein Forscherteam aus Bozen und Zürich unter Leitung des Pathologen Eduard Egarter Vigl mit modernster Computertomographie eindeutig belegen.

Ötzi  war ein schmächtiger, sehniger Mann mit blauen Augen und dunkelbraunen Haaren; 40 bis 53 Jahre alt, etwa 1,60 Meter groß und 50 kg schwer. Dass er offenbar ein gutsituierter Mann war, zeigen Kleidung und Habseligkeiten, die bei der Mumie gefunden wurden. Darunter ein wertvolles Kupferbeil, Leggings aus fein verarbeitetem Ziegenleder und ein perfekt genähter Fellmantel. Nach dem Meuchelmord blieb diese Habe unberührt. Das lässt darauf schließen, dass die Täter Leute seines eigenen Stammes waren. Hätten sie Ötzis Kupferbeil mitgenommen, wären sie vermutlich schnell als Mörder enttarnt worden.

Warum Ötzi sterben musste, bleibt ungeklärt, aber auch hier geben wissenschaftliche Analysen Anlass für neue Hypothesen. Allem Anschein nach hatte sich in Ötzis letzten sechs Monaten Dramatisches abgespielt. Vielleicht trachtete ihm jemand nach dem Leben, vielleicht gab es auch Konflikte um seine vermutete Rolle als einflussreiche  Person („Big Man“) seines Clans. Denn Ötzi könnte zeugungsunfähig gewesen sein und hätte demnach keine eigenen Nachkommen gehabt: Mutationen seiner DNA weisen jedenfalls auf eine eingeschränkte Spermienmobilität hin. Vor seinem Tod war Ötzi außerdem heftigem Stress ausgesetzt, das belegen deutliche Querfurchen in seinen Fingernägeln.

Eine Verkettung günstiger Umstände – eiskaltes Schmelzwasser, Sonne und Wind, dann Schnee und Eis – ließ  Ötzis Leiche zur Feuchtmumie werden. Im Schutz der Felsmulde, be-wahrt vor dem Mahlstrom des Gletschers, überstand sie unversehrt die Jahrtausende bis zu ihrer Entdeckung im September 1991. Ötzi ist damit der älteste erhaltene Mensch unserer Art, älter als  Pharao Tutanchamun und älter als alle Ritualopfer, die bisher entdeckt wurden. (NATIONAL GEOGRAPHIC)

1 Antwort zu “Wie Oetzi wirklich starb”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

17  +    =  18