Berliner Morgenpost: Eine neue Ära beginnt – Kommentar
Der historische Sieg Barack Obamas ist mehr als ein Machtwechsel. 146 Jahre nach der Sklavenbefreiung wird ein schwarzer Amerikaner Präsident der Vereinigten Staaten. Der Makel, das einzige christliche Land gewesen zu sein, in dem Sklaven gehalten und gehandelt wurden, ist endgültig überwunden.
Obamas Erfolg beruht auf vielen neuen Ideen. Er hat Reden gehalten, die auch die Bush-kritischen Amerikaner stolz auf ihr Land machten. Er sorgte mit seinem ruhigen Auftreten dafür, dass das Bild von politisch aktiven Schwarzen als leicht erregbaren, oft radikalen Menschen in den Hintergrund trat. Ein solches Bild hatten andere schwarze Kandidaten vor Obama mit flammenden Reden eher verstärkt, als es abzubauen. Der neue Präsident hat bewiesen, dass er eine gewaltige Organisation für die US-Wahl aufbauen und steuern kann. Nun kommt es darauf an, dass die Welt ihn als verlässlichen Staatsmann kennenlernt. Die nötige Klugheit und Neugier bringt er mit. Als Jurist hat er gelernt zu prüfen, bevor er entscheidet. Mit der Bankenkrise, Iran und Nordkorea, mit dem Irak und mit Afghanistan hat er aber gleich fünf Krisenherde am Hals, die schnelles Handeln erfordern. Obama ist ungetestet. Bisher hat er allenfalls unter Zeitdruck eine gute Rede an ein wohlwollendes Publikum halten müssen. Unter massivem Druck abrupte Entscheidungen zu treffen, die Folgen für Millionen haben – das ist etwas völlig anderes. Im Weißen Haus sind solche Entscheidungen aber fast der Normalfall. Ein Präsident kann selten sorgsam abwägen. Dazu kommt die große Hoffnung, die sich viele seiner Wähler auf bessere Sozialprogramme in Amerika machen. Die Programme sind wegen der Bankenkrise im Augenblick kaum bezahlbar. 700 Milliarden Dollar des Staatshaushalts sind wegen der Übernahme fauler Kredite und pleite gegangener Banken zunächst verloren. Obama muss seine erste Amtszeit damit beginnen, dass er Hoffnungen enttäuscht. Es sei denn, er findet einen genialen Weg, um das Geld doch noch zu beschaffen. Vielleicht schafft er das. Barack Obama ist erfinderisch, und auf seinen Schultern trägt er eine große Last. Er darf nicht scheitern, er darf nicht einmal einen schweren Fehler machen. Wenn Obama scheitert, beschädigt er für eine lange Zeit den Ruf der amerikanischen Schwarzen. Hat er hingegen Erfolg und führt Amerika aus der Krise, wird er nach George Washington und dem Sklavenbefreier Abraham Lincoln als dritter Gründervater Amerikas in die Geschichte eingehen. (Berliner Morgenpost)