Butter und Milch werden teurer

WAZ: Die Milch wird teurer – Neue Chancen hinterm Butterberg
– Leitartikel von Ulrich Schilling-Strack

Alles wird teurer. Jetzt auch die Milch. Dass diese Ankündigung mit solch einem Getöse diskutiert wird, liegt in erster Linie an der Größenordnung des bevorstehenden Preisrucks. Um 50 Prozent teurer könnten Molkereiprodukte in den nächsten Tagen werden, wird befürchtet.

Diese Zahl muss man erst mal verdauen. Wer sie eigentlich in die Welt gesetzt hat, ist allerdings nicht ganz einfach zu klären. Es stimmt zwar, dass Molkereien und Handel neue Verträge aushandeln, und die steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt die Preise nach oben treiben wird.

Ob das Päckchen Butter allerdings wirklich um 60 Cent teurer und der Becher Quark zur unerschwinglichen Delikatesse wird, sollte man getrost abwarten. Lässt sich auf dem umkämpften Markt überhaupt nicht durchsetzen, behauptet der Handel, der dennoch schon im Vorfeld als übler Profitmacher geprügelt wird. Dem Landwirt, dem wir die Mehreinnahmen auch gönnen würden, fließen nämlich angeblich nur ein paar Cent mehr in die Kasse.

Die aktuelle Diskussion rührt allerdings an einem tiefer sitzenden Problem. In kaum einem anderen Industrieland sind die Lebensmittelpreise so niedrig wie in Deutschland. Wer im Urlaub beispielsweise in Skandinavien oder Großbritannien einkaufen war, lobt anschließend den heimischen Supermarkt als Preisparadies. Geiz ist geil, fordern wir auch hier, und geben im Vergleich zu den Nachbarn am wenigsten für Nahrungsmittel aus. Nur 20 Prozent der gesamten Ausgaben für den Konsum liefern wir an den Lebensmittelkassen ab.

Darauf muss man nicht unbedingt stolz sein. Billig kommt selten umsonst. Wir zahlen dafür letztlich sogar einen hohen Preis. Beispielsweise über die milliardenschweren Subventionen, mit denen die EU die Landwirte unterstützt, die angesichts der extrem niedrigen Erzeugerpreise sonst längst pleite wären.

Was ist uns das Essen wert, sollten wir uns außerdem fragen. Billig heißt nämlich meistens auch: nicht gut. Artgerechte Tierhaltung und sorgfältige Verarbeitung der Rohprodukte haben nun mal ihren Preis. Wie kann also die Milch billiger als die Cola sein, und der Sonntagsbraten weniger kosten als die Packung Zigaretten?

Vielleicht standen Butterberg und Milchsee einer Auseinandersetzung mit dieser Problematik viel zu lange im Weg. Steigende Preise sind manchmal eben auch eine Chance. (Westdeutsche Allgemeine Zeitung)

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