WAZ: Oscar öffnet die Türen: Der deutsche Film hat etwas zu erzählen
– Leitartikel von Michael Vaupel
Der Oscar für „Das Leben der Anderen“ ist nur die
glänzende Spitze. Das deutsche Kino, das an Masse und Klasse
zugenommen hat, treibt in den letzten Jahren von Erfolg zu Erfolg.
Davon künden auch die Europäischen Filmpreise für „Das Leben der
Anderen“ und „Good bye, Lenin!“
Solche Filme sind der beste Beleg dafür, dass deutsches Kino nur
dann international erfolgreich sein kann, wenn es sich auf eigene
Themen, unverwechselbare Optik und charakteristische Schauspieler
besinnt. Weil das lange nicht der Fall war, weil das deutsche Kino
sich an meist platten Komödien versuchte oder große Hollywood-Action
mit kleinen Budgets nachahmen wollte, kam es aus dem Provinziellen
nicht heraus. Jetzt zeigt „Das Leben der Anderen“: Der bescheidene
Etat von 1,8 Millionen Euro reicht sogar zum Oscar, wenn man etwas zu
erzählen hat.
Viele deutsche Filme haben inzwischen etwas zu erzählen. Und es
gibt neuere Produktions- und Verleihfirmen wie etwa die Berliner X
Filme Creative Pool, die inzwischen selbstbewusst ihre Produkte im
Ausland anbieten. „Lola rennt“ längst rund um den Erdball, auch „Good
bye, Lenin!“ verkaufte sich blendend. „Das Parfüm“ verbreitet
ebenfalls weltweit seinen Geruch. Der Oscar für „Das Leben der
Anderen“ wird sowohl das Selbstbewusstsein der deutschen Filmbranche,
als auch das Kino-Markenzeichen „Made in Germany“ stärken.
Und er wird helfen, Gesichter des deutschen Films international
zu etablieren. Durch „Bella Martha“ wurde Robert De Niro auf Martina
Gedeck aufmerksam und engagierte sie für „Der gute Hirte“. „Das Leben
der Anderen“ wird ihre Karriere weiter beflügeln. Und Ulrich Mühe hat
sowieso das Potenzial eines Weltklasse-Schauspielers. Zugegeben, es
sind keine Hauptrollen, die Martina Gedeck, Julia Jentsch oder Moritz
Bleibtreu in internationalen Kinoproduktionen spielten. Aber sie
haben einen Fuß in die Tür gekriegt. Und wenn die gesamte deutsche
Filmbranche aus Schauspielern, Regisseuren, Produzenten und
Verleihern jetzt gemeinsam drückt, wird sie diese Tür weiter öffnen
können. Nur Mut!
Gemeinsam, das bedeutet, dass die Sparten sich noch stärker
vernetzen müssen. Dass neben staatlicher Filmförderung auch mehr
Privatkapital eingestrickt werden muss. Kino und seine
Weiterverwertung im Fernsehen und als DVD sind ein Zukunftsmarkt. Den
sollte Deutschland nicht den anderen überlassen. Ein starkes Filmland
ist die beste Voraussetzung dafür, dass dieser Oscar keine
Eintagsfliege ist. („WAZ)