Verleger warnen vor Verletzung Pressefreiheit

Verleger fordern mehr Sensibilität für Pressefreiheit, faire Wettbewerbsbedingungen und mehr Rücksicht in der Medienpolitik

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat Verstöße gegen die Pressefreiheit in verschiedenen Ländern der EU – allen voran in Deutschland – angemahnt. „Pressefreiheit ist ein Kriterium für demokratische Reife und für EU-Reife“, sagte BDZV-Präsident Helmut Heinen heute bei der Eröffnung des Zeitungskongresses im Europäischen Parlament in Straßburg in Anwesenheit von Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering. In verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU gebe es „eigenartige Vorstellungen“ von Pressefreiheit. Als Beispiel nannte Heinen die Situation in Tschechien, wo unliebsame Journalisten auf „schwarzen Listen“ registriert und in ihrer Arbeit blockiert würden. Auch in Polen habe es Versuche gegeben, die Presse mit einer staatlich gesteuerten Journalisten-Akkreditierung unter Druck zu setzen.

Hart ins Gericht ging der BDZV-Präsident mit der Situation in Deutschland, wo „das sensible Gut Pressefreiheit“ in jüngerer Zeit immer wieder beschädigt worden sei. Er erinnerte an Beschlagnahmeaktionen, Durchsuchungen, Telefonüberwachungen und die kürzlich erfolgte Serie von Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen angeblicher Beihilfe zum Geheimnisverrat. „Jede Demokratie muss sich daran messen lassen, wie freizügig über die Tätigkeit staatlicher Institutionen berichtet werden kann“, so Heinen. Die deutschen Zeitungsverleger erwarteten von der Politik und den Ermittlungsbehörden mehr Sensibilität. Vor allem seien gesetzliche Regelungen notwendig, die sicherstellen, dass die Veröffentlichung von bestimmten Texten nicht mehr als Beihilfe zum Geheimnisverrat eingestuft werde. Den Gesetzentwürfen zur Überwachung der Telekommunikation sowie zur so genannten Vorratsdatenspeicherung erteilte der BDZV-Präsident eine Absage.

An die EU-Politik appellierte Heinen, den Bereich der Presse bei jeder Art von Harmonisierung auszuklammern. Die Zeitungen hätten keine grenzüberschreitende Reichweite, deshalb seien die Kriterien des Binnenmarkes nicht anzuwenden. „Nichts wäre schlimmer als die schrankenlose Fortsetzung des Regulierungseifers, wie er in Werbeverboten und -restriktionen zum Ausdruck kommt.“

Die in der EU-Fernsehrichtlinie verankerte Möglichkeit, Product Placement im Fernsehen zu erlauben, bezeichnete der BDZV-Präsident als „medienpolitischen Sündenfall“. Wenn der Verbraucher Werbung nicht mehr identifizieren könne, werde die Glaubwürdigkeit aller Medien aufs Spiel gesetzt. Heinen forderte den deutschen Gesetzgeber auf, Product Placement in Deutschland zu verbieten.

Von der Bundesregierung erwarten die deutschen Zeitungsverleger, dass sie sich gegenüber der EU dafür einsetzt, den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Zeitungen abzusenken. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Zeitungsinformationen, die der politischen Willensbildung dienten, überhaupt besteuert würden, so Heinen. Ebenso wie Nahrungsmittel gehörten Zeitungen zum Grundbedarf der Bürger.

In seiner Analyse der Entwicklungen im Medienmarkt hob der BDZV-Präsident hervor, dass die Zeitungsverlage sich in einem – vor allem durch das Internet – völlig veränderten Umfeld neu ausrichten müssten. Die Internetaktivitäten der Zeitungen entwickelten sich äußerst positiv. Die Verlagsangebote erreichten mittlerweile 34 Prozent der Internetnutzer in Deutschland, wovon allein 20 Prozent auf die regionalen Zeitungen entfielen. Die für eine Refinanzierung dringend notwendigen Werbeeinnahmen seien bisher noch „recht übersichtlich“, doch wollten die Zeitungsverlage am dynamischen Wachstum noch stärker teilhaben. Zur Sicherung ihrer eigenen Zukunft müssten die Zeitungsverlage sich zu komplexen Medienhäusern beziehungsweise Multiplattform-Unternehmen entwickeln. Doch Voraussetzung dafür sei eine Medienpolitik, die auf die Besonderheiten des Zeitungsmarkts mehr Rücksicht nehme. So müssten die Beteiligungsgrenzen der Verlage beim Rundfunk fallen. Lokales Fernsehen – so Heinen – sei für die Zeitungsverlage eine wichtige Option. Scharfe Kritik übte der BDZV-Präsident an der Digitalstrategie des ZDF und der ARD. Zu Recht habe die EU-Kommission die Mitgliedsländer ermahnt, Auftrag und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks endlich zu definieren. „Es kann nicht sein, dass die Rundfunkautonomie als Freibrief missbraucht wird, die eigene Aufgabenstellung je nach Gutdünken zu interpretieren und zu erweitern“, so Heinen. Der Gesetzgeber sei gefordert, klare Grenzlinien zu ziehen. Die Digitaloffensive der öffentlich-rechtlichen Anstalten stehe im krassen Gegensatz zu den Vorgaben der EU-Kommission, nämlich mit transparenten Kontrollmechanismen sicherzustellen, dass private Anbieter im Internet und bei der Entwicklung neuer Dienste auf mobilen Endgeräten nicht benachteiligt würden.

Die Kritik des BDZV richtete sich auch gegen Entwicklungen im Postbereich. Die Postzustellung sei für die Verlage ein neues wichtiges Geschäftsfeld, sagte Heinen Die Zeitungsbranche erwarte, dass zum 1. Januar 2008 eine wirkliche Liberalisierung des Marktes stattfinde. Dazu gehöre auch der Wegfall des Umsatzsteuerprivilegs für die Post AG. „Es ist ein Unding, dass ein Monopolist mit einem Marktanteil von mehr als 90 Prozent keine Umsatzsteuern zahlt, während die Neulinge im Markt vom Fiskus zur Kasse gebeten werden“, so Heinen wörtlich. Von der Bundesregierung als dem größten Aktionär der Post AG erwarteten die Zeitungsverleger eine besondere Sensibilität für die Funktionsmechanismen von Wettbewerb und Marktwirtschaft. Deshalb müsse auch die Allgemeinverbindlichkeit der Mindestlohnvereinbarung zwischen Post AG und Gewerkschaft abgelehnt werden. Die taktischen Manöver rund um den Mindestlohn-Tarifvertrag seien „ein einmaliger und unwürdiger Vorgang in der Geschichte der Tarifpolitik in Deutschland“. (www.bdzv.de)

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